Glück im Unglück

Am nächsten Morgen liegt wieder Schnee. Ich esse ein paar Riegel und packe schnell zusammen. Sobald ich aus dem Wald komme peitscht mir der Wind den Schnee ins Gesicht. Die Geräusche, die ich in der Nacht als nahegelegene Schnellstraße identifiziert hatte, stellen sich als Windräder heraus, deren Schwingen unheilvoll durch den Schneenebel schneiden. Der Tag beginnt also nicht sonderlich motivierend. Meine Füße sind schnell nass und fangen an zu frieren. Um Wärme in die Glider zu bekommen lege ich einen Zahn zu.

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Nässe und Kälte sind ansich gut auszuhalten solange man sich bewegt. Nur die Pausen sind recht ungemütlich. Um mir die Zeit zum nächsten Ort zu vertreiben kläre ich noch ein paar Details mit meiner Krankenversicherung. Die Verlegung meines ständigen Wohnsitzes in ein Zelt ist für die Dame am Telefon ein wohl nicht ganz so alltäglicher Sachverhalt. So ganz kann ich den bürokratischen Alltag in Deutschland noch nicht hinter mir lassen und die unerledigten Formalitäten im Hinterkopf ärgern mich. Nachdem ich nun in drei verschiedenen Warteschleifen hing, frieren nicht nur die Zehen sondern auch meine Finger.

Zum Glück ist der nächste Ort nicht weit entfernt und ich freue mich auf einen heißen Kaffee und Brezen. Essen und Trinken kann ich leider wegen den Corona Vorschriften nicht im Warmen, mit der Folge dass ich auf dem Parkplatz frühstücken muss. Oberhalb des Dorfes erspähe ich eine Kirche und ich mache mich kurzentschlossen auf den Weg. Nach zwei Stunden, in denen ich an meinem Blog schreibe, verlasse ich die nicht ganz so kalte aber immerhin windgeschützte Kirche.
Draußen hat es aufgehört zu schneien und so ziehe ich weiter. Da es nun auch etwas aufklart kann ich die Umgebung begutachten. Am Tag zuvor habe ich den Naturpark Altmühltal verlassen und ich komme für einen kurzen Abschnitt durch die Oberpfalz.

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Der Frankenweg verläuft hier in der Nähe einer Autobahn und auch sonst ist der Weg nicht sehr naturbelassen. Immerhin gibt es hin und wieder Burgen zu besichtigen und so stapfe ich gut gelaunt durch den Matsch.

Am Abend beschert mich das Aprilwetter sogar mit ein wenig Sonne und ich werde mit dem schönsten Sonnenuntergang der Tour belohnt.

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Am nächsten Tag krieche ich wunderbar erholt aus meinem Zelt und lege die Strecke zum nächsten Ort wie im Flug zurück. Leider zu schnell stelle ich fest als sich mein rechter Fuß bemerkbar macht. Es heißt nun also wieder betont langsam laufen. Beim Supermarkt angekommen gibt es ein Festmahl, bestehend aus Proteingriespudding, Brezen und Kaffee, das ich wie ein echter Landstreicher auf dem Parkplatz vertilge. Gut gestärkt spaziere ich weiter und die Landschaft verspricht nun wieder schöner zu werden. Ich komme durch das außerordentlich schöne Dorf Herbruck, dessen kuscheligen Gasthäuser und Geschäfte aber bedauernswerter weise alle geschlossen haben.
Nach Herbruck wird es sogar etwas bergiger. Ich erklimme den Großen Hansgörgel, der mit über 600 Höhenmeter der bisher wohl höchste Gipfel der Tour ist, und schlage etwas weiter im Tal mein Zelt auf.

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Die Nacht verläuft ruhig und ich freue mich auf die nächste Couchsurfing Unterkunft, da wieder Minusgrade in der Nacht erwartet werden.
Ich habe meinem Gastgeber angekündigt, dass ich Mittags eintreffen werde und mache nun einen Umweg zu der Unterkunft. Merkwürdigerweise habe ich seit dem Tag zuvor keine Antwort mehr auf meine Nachrichten erhalten und als ich im Ort ankomme fehlt mir die genaue Adresse. Wohl oder übel muss ich also auf eine Antwort warten. Da es mal wieder kalt ist verziehe ich mich in eine Kirche und warte. Insgesamt warte ich dreieinhalb Stunden bis ich verärgert aufbreche. Ich kann nicht verstehen warum er mir nicht einfach absagt wenn es ihm unangenehm ist mich zu beherbergen.
Dann hätte ich mir den Umweg und das Warten gespart. Das nasskalte Wetter trägt auch nicht gerade zu meiner Laune bei.

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Ich laufe den ganzen verbliebenen Tag ohne Pause und möchte gerade ein Nachtlager suchen als ich über eine Kuppe in eine Wohnsiedlung gelange.
Ich treffe einen Spaziergänger, der sich als Norbert vorstellt und ich erzähle ihm meine Geschichte. Mein Karmakonto ist wohl im plus, denn er deutet auf eine Hütte und fragt mich ob ich nicht dort übernachten möchte. Jackpot!
Obendrein bekomme ich Tee und wir tragen gemeinsam die Feuerschale zu dem von Norbert gepachteten Grundstück. Anschließend bekomme ich eine Einweisung in die hohe Kunst des Holzspaltens, die ich in Skandinavien sicher gut gebrauchen kann, und wir schüren das Feuer.
Norbert muss noch etwas erledigen, kommt aber wenig später mit Verstärkung in Form von seinem Nachbarn Lars, frischer Pasta und fränkischem Bier zurück. Wir verbringen einen wunderbaren Abend vor dem Feuer. Ich fühle mich pudelwohl als wir uns verabschieden und ich mich in die Holzhütte zurückziehe. Dankbar schaue ich noch auf das Thermometer an der Wand auf dem ich minus fünf Grad ablese.

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