Goodbye Deutschland

1. - 5. Juni, E6, Schleswig-Holstein

Auf ein Neues! Ich fühle mich wie am ersten Tag meiner Reise, nur nicht ganz so optimistisch. Zu groß ist die Angst dass die Verletzung noch nicht ganz verheilt ist. Zudem bin ich eingeschüchtert von den nächsten 3500 km in Schweden und Norwegen. Meine Freundin, Familie und Freunde werde ich die nächsten Monate auch nicht sehen. Aber ein bisschen freue ich mich doch. Es ist jetzt Sommer und mich erwarten die wohl schönsten Naturlandschaften von Europa.

Nach einer kurzweiligen Zugfahrt stehe ich wieder am Bahnhof in Büchen. Die Sonne scheint. Es ist nicht zu warm. Langsamen Schrittes laufe ich zurück auf den Trail, der mich mit einer fünf Kilometer langen Teerstraße begrüßt. Ich bin noch etwas sensibel und bilde mir Schmerzen in Bereich des Schienbeins ein, kann sie dann aber als einfache Verspannung abtun. Zur Ablenkung auf dem eher langweiligen, von Büschen gesäumten Fußgängerweg, spiele ich mit dem Yo-Yo, das mir Alex geschenkt hat. Zur Auswahl stand auch eine Mundharmonika. Meine Entscheidung viel dann aber doch zugunsten der ursprüngliche Jagdwaffe, zur Selbstverteidigung und zum Zeitvertreib, Multi-use, ein Prinzip des Ultraleicht-Trekking.

Ungeschickt spiele ich eine Weile, bis ich dann endlich auf einen Waldweg abbiege. Ich habe heute nur 20 km vor mir und möchte die erste Nacht auf einem Campingplatz verbringen. Einen negativen Corona-Test hatte ich mir am Bahnhof in Büchen organisiert. Am Zeltplatz angekommen bin ich ungewohnt erschöpft. Man sollte meinen dass eineinhalb Monate wandern und zwei Wochen Pause der Fitness zuträglich sind. An mir kann ich das heute leider nicht feststellen. Zumindest spüre ich meine Sehnen nicht. Ein gutes Zeichen! 

Ich baue mein Zelt auf und esse zu Abend. Als einziger Campinggast, neben ein paar wortkargen Dauercampern, habe ich die Zeltwiese am See für mich alleine. Bevor ich Schlafen gehe dehne ich mich. Meine Dehnroutine, die ich während der Tour vernachlässigt habe, werde ich jetzt wieder aufnehmen. Jeden Morgen und jeden Abend.

Die Nacht ist kühl. Ich trage meinen Buff als Mütze, da ich selbige aus Gewichtsgründen aussortiert habe. Dadurch habe ich aber nichts Wärmendes um den Hals. Trotzdem schlafe ich bis neun Uhr und breche erst mittags auf.

Die Etappe durch die Lauenburger Seenlandschaft ist toll. Den ganzen Tag spaziere ich durch saftig grüne Wälder und streife zahlreiche Seen. Am Krebssee mache ich Pause und rolle meine Fußsohlen über den Golfball. Danach dehne ich meine Waden und lasse die Füße im See baumeln. Meine Füße fühlen sich noch sehr verspannt an. Tatsächlich habe ich wohl seit der dritten Woche auf dem Trail eine Plantarsehnenentzündung, die ich geflissentlich ignoriert habe. Durch das Dehnen und Massieren verschwindet diese nun langsam

In Mölln esse ich Pizza und gehe einkaufen. Es ist schön dass nun Gastronomie und Geschäfte vollständig geöffnet sind. Das macht alles wesentlich einfacher und lässt Urlaubsstimmung aufkommen. Ich folge den Rest des Tages fast ausschließlich einem Seeufer und erreiche am Ende den Ratzeburger See.

Da ich keine Lust auf Wildcampen haben und es noch recht früh am Abend ist, gehe ich wieder auf einen Zeltplatz. In der ersten Reihe am Seeufer schlage ich mein Zelt auf. Die Sonne scheint. Der Wind vertreibt die Mücken. Ich dehne mich, gehe duschen und esse zu Abend. Die Nacht ist angenehm warm.

Wie am Vortag breche ich erst am späten Vormittag auf und mache auch schon eine halbe Stunde später Pause in Ratzeburg. Ich esse Fischbrötchen und trinke Bier. So lässt sich die Wanderschaft aushalten. 

Kurz nach Ratzeburg führt mich mein Weg zum Elbe Kanal, wo ich von Mücken zerstochen werde. Der Versuch sie mit meinem Yo-Yo zu verjagen ist nur von mittelmäßIgel Erfolg gekrönt, aber immerhin kann ich jetzt den ersten Trick. Ich treffe eine Radreisende und wir unterhalten uns kurz. Sie hat heute die 1000 km voll gemacht und empfiehlt mir 1nitetent.com. Auf diesem Portal stellen Privatpersonen ihren Garten als Zeltplatz zur Verfügung. Leider ist kein Zeltplatz in der Nähe und so schlage ich mein Zelt auf einer öffentlichen Badewiese auf. Ich habe keine Lust auf das Versteckspiel und die Wälder sind zu dieser Jahreszeit schon sehr zugewachsen. Ein paar freundliche Jugendlichen versorgen den alte glatzköpfigen Mann mit Pizzaschnecken und Melone, welche er dankend annimmt. Als ich mich dehnen möchte werde ich vom Regen in mein Zelt verscheucht. 

Nachts wecken mich immer wieder die Kröten und ich bin früh auf den Beinen. Heute erreiche ich Lübeck. Björn, den ich über Instagram kennengelernt habe, hat mir dort eine Bleibe bei seinem Kumpel Yannick vermittelt. Ich hab mal wieder technischen Probleme mit meinem Garmin und muss die Routenpunkte von Schweden erneut auf das Gerät übertragen. Garmin-typisch funktioniert das natürlich nur mit einem PC und über USB. Außerdem wollte ich mich in Lübeck mit Laura und ihrer Mutter Monika treffen, die den Nord-Süd-Trail durch Deutschland laufen. Ich freue mich immer unterwegs auf Gleichgesinnte zu treffen. Doch zunächst werde ich den Abschnitt des E6 abschließen, den ich bald verlasse um zum Fährhafen in Travemünde abzubiegen. Unterwegs mache ich Pause an einem See und trockne mein Zelt. Das erste mal auf meiner Tour gehe ich schwimmen. So ist das also wenn man im Sommer wandern geht. Ich nutze die Zeit und dehne mich. In der früh hatte ich dazu in der nassen Wiese keine rechte Lust. 

Weiter spaziere ich durch ein Biotop und werde mal wieder von Mücken zerstochen. Langsam gewöhne ich mich an die ständigen Stiche.

Am Ende der Etappe nehme ich den Bus nach Lübeck. Ich lasse mich auf Corona testen, da ich am nächsten Tag die Fähre nach Malmö nehmen möchte. Laura schreibt mir und wir verabreden uns auf ein Bier. Im Vergleich zu meinem Treffen mit Fabian bin diesmal ich derjenige mit dem kleineren Rucksack. Dafür ist Laura frisch geduscht. Aus dem Bier werden schnell zwei, bevor wir zum Pizzaessen gehen. Monika läd uns ein und wir unterhalten uns über die üblichen Themen. Trails, Gepäck, Wetter, Mücken. Ungern verabschiede ich mich vorzeitig, weil ich noch mit Yannick verabredet bin. Ich habe es tatsächlich geschafft mich auf meiner Monate-langen Auszeit zu überbuchen. 

Bei Yannick übertrage ich die Routenpunkte auf mein Garmin, zum Glück ohne weitere Komplikationen, und wir unterhalten uns noch eine Weile. Wir beide sind müde und ich muss am nächsten Morgen die Fähre erwischen. Also gehen wir schlafen. An diesem Abend vergesse ich mich zu dehnen.

Vielen Dank an dieser Stelle nochmal an Yannick und Björn. Ohne die Routenpunkte hätte ich nur eine Liste von Supermärkten, Schutzhütten und Co gehabt und keine Koordinaten. Dieser Tag war auch sonst mal wieder ein Klassiker im Leben eines Landstreichers, Abendessen und Übernachtung waren für lau.

Morgens nehme ich den Bus zurück zum Ende des E6 und kaufe im nahen Supermarkt Verpflegung für Schweden ein. Ich laufe die letzten Kilometer in Deutschland mit schwerem Rucksack und bin froh über das Tragesystem. Am Fährhafen folge ich der Straße bis zum Check-in für Kraftfahrzeug. Die Dame am Schalter begrüßt mich direkt mit meinem Namen und schickt mich über eine Glasbrücke zum Fußgänger Check-in. Ein kurzer Transfer per Kleintransporter später stehe ich auf der Fähre. Ich bin bestens gelaunt und freue mich auf Schweden. Das Schiff legt ab. Ich blicke zurück auf Deutschland.
Ja, du hast es mir nicht leicht gemacht. Der kälteste April seit 30 Jahren, eisige Nächte, Schnee, Regen, Bundeslockdown, stinkende Klamotten und quälende Teerstraßen. Aber es gab auch wunderschöne Abschnitte. Ich erinnere mich an das Altmühltal, den Werda-Burgen-Steig, das Wendland und an die Lauenburger Seenlandschaft. Ich erinnere mich an unerwartete Gastfreundschaft, neue Freunde und tolle Begegnungen. Schön war es, bis bald!

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