Lichtblicke

6. - 11. Mai, E6 Niedersachsen

Nach der ereignisreichen Nacht bin ich schon früh auf den Beinen. Es regnet den ganzen Vormittag. In Wolfenbüttel hat das Einkaufszentrum geöffnet. Ich lasse mein Handy beim Bäcker laden und gehe einkaufen. Danach gibt es Frühstück im Schutz der Bushaltestelle. Nach den letzten leicht depressiven Tagen freue ich mich schon auf Braunschweig. Christian wohnt direkt am Trail und nimmt mich für eine Nacht auf. Da ich viel Zeit habe bis Christian Feierabend hat, mache ich einen Umweg über die Braunschweiger Innenstadt. Mein Gas geht zur Neige und die Geschäfte haben geöffnet. 
Auf dem Weg über Felder und kleine Waldabschnitte laufe ich immer wieder Polizei und Feuerwehr über den Weg. Als ich nachfrage erzählen sie dass auf dem Feld eine Fliegerbombe gesprengt werden würde. Gut dass ich nicht auf diesem Feld geschlafen habe, denke ich mir.

Bei Christian angekommen steht dieser bereits vor dem Grill. Geiler Typ! Christian und seine Frau Birgit sind im gleichen Gewerbe und es gibt viel zu besprechen. Ausrüstung, Trails, Pläne und so verfliegt die Zeit während ich Unmengen an Grillfleisch in mich hinein schaufle. An diesem Abend komme ich ausnahmsweise früh ins Bett. Christian und Birgit müssen am nächsten Tag arbeiten.

Nach dem Frühstück kümmere ich mich um meine Ausrüstung. Meine Leggins hat unter den gelegentlichen Ausflügen durch Dornengestrüpp sichtbar gelitten. YouTube bringt mir auf die Schnelle das Löcher stopfen bei. Als ich die Leggins anziehe reißt ein Loch direkt wieder auf. Beim zweiten Versuch klappt es. 

Ich habe mich nun auch endgültig entschieden auf welchem Weg ich nach Schweden reise. Ursprünglich wollte ich bei Gifhorn nach Celle abbiegen und über den Heidschnuckenweg nach Hamburg laufen. Danach wäre ich weiter über den E1 bis Grenaa in Dänemark gegangen. Da ich aber über die Lüneburger Heide zu dieser Jahreszeit nicht viel Gutes gehört habe, und ich bei der Einreise in Dänemark in Quarantäne muss, lohnt sich diese Strecke nicht. Der neue Plan sieht wie folgt aus. Ich folge weiter dem E6 bis Lübeck und nehme dort die Fähre nach Malmö. Von dort reise ich zunächst zum südlichsten Punkt Schwedens in Smygehuk und folge dann dem North Sea Trail an der Küste bis sich dieser in Halmstad mit dem E1 kreuzt. Von da an bin ich dann auch wieder auf dem geplanten Track. Bevor ich aber in Lübeck die Fähre nehme wird mich Daniela besuchen. In Schleswig-Holstein öffnen die Hotels und wir können beide ein paar Tage Urlaub gebrauchen.

An dieser Stelle sei gesagt dass es verflucht umständlich ist mit dem iPhone GPX Tracks an Garmin Geräte zu übertragen. Die Explore App sieht das zwar vor aber es funktioniert nicht mit iOS. Der einzige Workaround funktioniert mittels Komoot und auch nur wenn die Strecke nicht länger ist als 200 km. Da die E6 Tracks alle größer sind, muss ich zunächst 150 Routenpunkte manuell in Komoot löschen, bevor ich die Route übertragen kann. Ich brauche über eine Stunde bis das erledigt ist.

Die Löcher sind gestopft, der Magen ist gefüllt und der Trail ruft mich. Also verabschiede ich mich bei Birgit und Christian und die Reise geht weiter. Ich werde begrüßt mit Regen und gelegentlichem Sonnenschein. Nach 30 km raste ich an einem Aussichtsturm und überlege ob ich hier übernachten soll. Die nächsten 10 km sind Naturschutzgebiet und danach muss ich durch Gifhorn. Das sind keine guten Aussichten für einen ruhigen Schlafplatz und so bleibe ich hier. Es ist kalt, aber der Ausblick auf das Vogelschutzgebiet und der wunderschönen Sonnenuntergang sind das Frieren wert.

Kurz nachdem die Sonne untergegangen ist bekomme ich noch Besuch von zwei Spaziergängern. Wir verstehen uns gut. Die Beiden sind auch gerne draußen unterwegs und wir unterhalten uns eine ganze Weile. Als sie sich auf den Heimweg machen lege auch ich mich Schlafen. 

Der Morgen ist noch kalt, aber es soll ab jetzt wärmer werden. Die Sonne kommt heraus und schon bald bin ich in Gifhorn. An einem See lege ich mich kurz in die Wiese und schlafe ein. Eine Stunde später weckt mich mein eigenes Schnarchen. Als ich zusammenpacke stelle ich fest dass ich mich auf Entenexkremente gelegt habe. Ich reinige mich notdürftig und laufe weiter.

Das Wetter zieht wieder zu. Mir ist langweilig und ich höre Hörbuch. Auch das kann mich nicht ablenken und ich rufe meine Freundin an. So vergehen die Stunden bis ich mir Gedanken um einen Schlafplatz mache. Ich bin wieder umringt von Naturschutzgebieten. Abseits des Weges sehe ich Jemanden beim Holzhacken. Ich frage ob ihm der Wald gehöre und ich dort schlafen könnte. Fred, der den Wald von seinen Schwiegereltern bewirtschaftet, erlaubt es mir und ich bin erleichtert. Wir tauschen schnell noch Nummern aus bevor er Feierabend macht und ich mich schlafen lege. Ich schlafe 11 Stunden durch.

Am Morgen lasse ich mir Zeit und schreibe am Blog. Fred kommt vorbei. Er hat sich dieses Jahr zufällig auch eine Auszeit genommen. Wozu immer mehr wenn eigentlich weniger glücklich macht? Oder wie Fred es sagt: “Warum sollte man zum Mars fliegen wenn es auf der Erde genug zu tun gibt?”
Es ist heiss, der wärmste Tag bislang auf dem Trail. Die Landschaft ist langweilig flach und es gibt einige Straßenabschnitte. Schließlich suche ich mir am Elbe Kanal einen Schlafplatz. 

Heute bin ich mit Fabian, dem ersten anderen Thruhiker den ich treffe, verabredet. Er ist auf seinem “From the Lowest to the Highest” Thruhike von der Ostsee bis auf die Zugspitze unterwegs @extremspaziergaenger. Bevor wir uns treffen möchte ich noch einkaufen. Doch der Laden hat bereits geschlossen. Verdammt! Das heißt es gibt kein Abendessen und kein Bier zum Anstoßen. Da biegt eine Mutter mit Kind auf den Parkplatz ein. Es stellt sich heraus dass man mit einer speziellen Karte zu jeder beliebigen Uhrzeit einkaufen kann. Die Mutter heißt Denise und bietet an mir etwas mitzubringen. Ich denke nach. Instant Nudeln, Snickers, Semmeln und Käse ist alles was mit einfällt. Nach ein paar Minuten kommt sie wieder aus dem Laden und sagt ich dürfe auch mit hineinkommen. Eine Mitarbeiterin sei noch im Büro und hätte es erlaubt. Im Hungerwahn leere ich die Regale. Ich bedanke mich bei Denise, die für mich bezahlt und schicke ihr den Betrag per Paypal. 

Es sind noch 10 km bis Fabian und ich uns treffen. Der Rucksack ist unbequem schwer und die Hitze macht mir zu schaffen. An einem kleinen Tümpel kann ich etwas buntes, trashiges erkennen. Das muss Fabian sein. Wir stinken beide, haben beide leichte Fussschmerzen und verstehen uns bestens. Nur im Hunger und der Bartlänge unterscheiden wir uns. Schließlich ist Fabian erst seit ein paar Tagen unterwegs. In einem Wald schlagen wir unser Lager auf. Fabian nur mit Tarp, er ist mit 3,2 kg Basisgewicht doch ein ganzes Stück leichter unterwegs. Im Wald sitzend, philosophieren wir noch eine ganze Weile, während mich die Mücken auffressen. Offensichtlich rieche ich doch besser als Fabian. Als es dunkel wird und es anfängt zu regnen gehen wir schlafen.

Am nächsten Morgen bin ich um 6 Uhr wach. Ich lasse mir viel Zeit da ich mich noch bei Fabian verabschieden möchte. Weil er so friedlich schlummert bringe ich es auch nach Stunden nicht übers Herz ihn zu wecken. Also breche ich schließlich auf. Es sind nur noch 5 Tage bis zum Meer. Ich bin motiviert.

Zurück
Zurück

Schmerzen

Weiter
Weiter

Höhen und Tiefen