Schmerzen
11. - 13. Mai, E6 Wendland, Elbtal
Das Wendland zeigt sich von seiner besten Seite. Der E6 hat hier eine tolle Streckenführung. Es gibt kaum Straßenabschnitte und so laufe ich auf angenehm weichen Wanderpfaden und überwachsenden Wirtschaftszwegen. Selten streife ich kleinere Bauerndörfer. Meistens führt der Weg durch Buchen und Kiefernwälder.
Nach zehn Kilometern erreiche ich den Hohen Mechtin, der mit 142 Metern über Normalnull, der höchste “Berg” in der Region ist. Hier gibt es einen Aussichtsturm mit Blick auf die Heidelandschaften, die an das Gebirge anschließen, und das Elbtal im Norden.
Mittlerweile bin ich fünf Tage ohne Steckdose und alle Akkus sind leer. Auf der Suche nach Strom biege ich nach Zernien ab. Beim lokalen Bäcker kaufe ich einen Kaffee und frage höflich ob ich mein Handy laden dürfte. Die Angestellte möchte nicht eigenmächtig entscheiden und ruft sicherheitshalber ihren Chef an. Da er nicht erreichbar ist verlasse ich den Laden und blicke mich um. In der nahen Sparkassenfiliale werde ich fündig. Ich stecke einen beleuchteten Reklameaufsteller aus und hänge mein Handy hinter der Heizung an die Steckdose. Am Geldautomat hebe ich Bargeld ab, kaufe frische Backwaren beim Bäcker und mache es mir auf einer Bank mit Blick auf die Filiale bequem. Immer wieder halten Autos und besuchen die Filiale. Ich bin froh dass mein Handy gut versteckt ist. Nach einer Dreiviertelstunde möchte ich aufbrechen. Doch an der Steckdose hängt nichts mehr. Kurz packt mich die Panik. Ich suche den Vorraum ab. Was mach ich jetzt? Mein GPS Gerät hat auch kaum noch Batterie. Wurde mein Handy gestohlen? Hat es ein Angestellter mitgenommen? Wie komm ich an ein neues Handy? Am Besten rufe ich bei der Sparkasse an. Aber wie soll ich anrufen ohne Handy?
Dann klopfe ich an die Glasscheibe, die den Vorraum von den Büros trennt. Und siehe da, es ist tatsächlich Jemand in der Filiale. Die Angestellte erzählt mir dass sie das Handy aus Vorsicht mit in das Büro genommen hätte. Ich bin immer noch aufgeregt, bedanke mich ganz herzlich bei ihr und sie erlaubt mir auch noch das GPS Gerät im Büro zu laden.
Mit vollen Batterien verlasse ich den Ort in Rrichtung Göhrde. Alte Baumbestände lassen die Wälder ursprünglich anmuten. Nach der Südheide und ihrer schachbrettartigen Felder und Baumreihen genieße ich die erfrischende Abwechslung. Wie schon die Tage zuvor habe ich mittlerweile mein Handy unter Tags ausgeschaltet. Das digitale Detox tut mir gut und ich lasse mich mehr auf die Ungebung ein.
Nach Göhrde erreiche ich die Schutzhütte am Weiher, die Fabian empfohlen hat. Ich esse hier zu Abend und überlege lange ob ich bleiben soll. Am Abend macht mir das wandern aber am meisten Spaß und so laufen ich noch eine Stunde bevor ich zwischen Heidekraut und Kiefern einen ruhigen Schlafplatz finde.
In der Nacht fängt es an zu Regnen. Das soll auch die nächste Woche noch so bleiben. Bei Regenschauern verlasse ich das Wendland und erreiche das Elbetal. Auch hier gefällt mir die Streckenführung. In einer Bushaltestelle warte ich ein paar Regenschauer ab und schreibe am Blog. Als ich an einem Campingplatz mein Wasser auffülle bekomme ich Kekse und einen Apfel geschenkt. Ich fühle mich prächtig. Plötzlich stechen unvermittelt Schmerzen in mein linkes Schienbein. Leider lassen die Schmerzen auch nach einer Stunde nicht nach. Eine solche Reizung hätte ich eigentlich in den ersten Wochen erwartet und nicht nach fast 1500 Kilometern. Meine Diagnose lautet Schienbeinkantensyndrom, auch bekannt als Shin Splints. Ich gehe im nächsten Ort zum Einkaufen und suche mir dann frühzeitig einen Lagerplatz. Ich frage sogar an einem Bauernhof ob ich in der anliegenden Wiese campen dürfte, aber die Eigentümer sind nicht zuhause. In einem Wald finde ich schließlich einen Schlafplatz.
Die Verletzung ist die erste wirkliche Bedrohung für meine Tour. An das Wetter und die stinkenden Klamotten habe ich mich gewöhnt. Auch mental bin ich mittlerweile voll im Modus. Ich entscheide mich dafür die nächsten zwei Tage zu pausieren und miete eine günstige Ferienwohnung in der Nähe. Danach lege ich mich schlafen.
Am Morgen sind die Schmerzen schon besser. Ich verbringe den Vormittag im Zelt und wandere den Deich entlang zu der Ferienwohnung. Am Vatertag sind nur ein paar Fischer an der Elbe. Ansonsten ist kaum Jemand bei dem Regenwetter unterwegs. Ich esse zu Mittag und beziehe frühzeitig die Ferienwohnung. Hoffentlich vergehen die Schmerzen bald.